Aufmacher kolloquium 2023 NZ8 3003Moderatorin und Journalistin Gisela Gary, Werner Sobek von der Sobek AG, Martin Hrunek von den Wiener Linien, Helmut Leibinger von Net Zero Emission Labs, Berthold Kren von Holcim und Andreas Fromm von der ASFINAG bei der Podiumsdiskussion.   Fotos:  Felix Büchele/Felixfoto

Kolloquium 2023 „Forschung & Entwicklung für Zement und Beton“

Sanierung, Dekarbonisierung
und Energiespeicherung im Fokus

Beton bietet Dauerhaftigkeit, Vielfältigkeit, Stabilität und zugleich Flexibilität und somit Zukunftssicherheit. Beton ist der weltweit meisteingesetzte Baustoff. Die österreichische Zementindustrie nimmt die Themen wie Dekarbonisierung und Klimaschutz bereits seit Jahrzehnten ernst und befasst sich intensiv mit Transformationsprojekten.

Wie wichtig der Stellenwert von Forschung & Entwicklung dabei ist, stellt das Kolloquium der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, VÖZ, seit über 30 Jahren unter Beweis. Mit einer hochkarätigen Keynote, einer lebhaften Podiumsdiskussion, zahlreichen zukunftsweisenden Vorzeigebeispielen aus Forschung & Entwicklung sowie einem Abschluss-Highlight, das heuer sein 150-jähriges Jubiläum feiert, sorgte das Kolloquium am 16. November 2023 für einen abwechslungsreichen Nachmittag voller Wissenstransfer und Austausch. Das rege Interesse, mit mehr als 300 Teilnehmenden, bestätigt den Erfolg des bewährten Veranstaltungsformats, das ausgewählte Programm und die Qualität der Vorträge.

 

Wie bauen wir in Zukunft?

Das diesjährige Kolloquium „Forschung & Entwicklung für Zement und Beton“ stand im Spannungsfeld von Sanierung, Dekarbonisierung und Energiespeicherung und brachte die aktuellsten Herausforderungen der Branche auf den Punkt. „Wir sprechen die Themen an, die polarisieren und gleichzeitig unsere Zukunft prägen. Mit dem Kolloquium bieten wir nicht nur einen spannenden Wissenstransfer, sondern auch eine übergreifende Plattform zum gegenseitigen Austausch“, so VÖZ-Geschäftsführer Sebastian Spaun.

Die VÖZ konnte dieses Jahr Vordenker Werner Sobek für die Keynote gewinnen. Erst kürzlich wurde sein weltweit renommiertes Ingenieurunternehmen mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet und damit an die Spitze der Vorreiter in dieser Branche gewählt. Sobek begeisterte das Publikum mit seinem Blick über den Tellerrand, er zeigte aber ebenso einen ungeschönten Blick in die Zukunft des Bauens auf:

DAS BAUWESEN steht weltweit für knapp

60 % des RESSOURCENVERBRAUCHS, knapp

50 % des MASSENMÜLLAUFKOMMENS und für knapp

50 % der KLIMASCHÄDLICHEN EMISSIONEN.

Wenn wir weiter so bauen wie bisher und
wenn wir dabei auch noch den Nachholbedarf
der Menschen im globalen Süden sowie
die Zunahme der Weltbevölkerung innerhalb
der kommenden Generation um 25 % berücksichtigen,
dann führen wir die menschliche Gesellschaft
schon in wenigen Jahren an den Rand des Abgrunds. 
DAS IST SICHER.

Wir müssen das BAUSCHAFFEN deshalb 
VON GRUND AUF NEU DENKEN.


Werner Sobek, Architekt und Bauingenieur

Sobek

 

Infrastruktur und Bauen neu denken: Verantwortung aller Beteiligten

Das Bauen neu denken war auch das Stichwort für die Podiumsdiskussion, die erstmals am Kolloquium zwischen Entscheidungsträger:innen aus Industrie, Bau und Infrastruktur stattfand. Martin Hrunek von den Wiener Linien, Andreas Fromm von der ASFINAG, Berthold Kren von Holcim Österreich und Helmut Leibinger von Net Zero Emission Labs diskutierten mit Werner Sobek die Rolle der Infrastruktur und Visionen für das Bauen der Zukunft. Martin Hrunek, Abteilungsleiter für die Infrastruktur-Großprojekte der Wiener Linien: „Als Wiener Linien wollen wir dort, wo es möglich ist, noch nachhaltiger werden. Schon jetzt sind jeden Tag 2 Millionen Menschen mit U-Bahn, Bus und Bim in Wien klimafreundlich unterwegs. Ich bin aber davon überzeugt, dass weitere normative und unterstützende Regelwerke den Prozess der Ökologisierung beschleunigen könnten. Der Einsatz von Recyclingmaterialien muss noch stärker gefördert werden. Hier braucht es weitere Entwicklungsarbeit wie etwa im Bereich Recycling-Beton sowie wie Normungsarbeit, um einen rechtlich einwandfreien Rückhalt bei Ausschreibung und Einsatz von recycelten Materialien zu haben.“

Andreas Fromm, Geschäftsführer der Asfinag Bau Management GmbH, erläuterte die hohen Ansprüche der Asfinag in puncto Nachhaltigkeit: „Natürlich ist das klimafreundlichste Bauprojekt jenes, das gar nicht erst umgesetzt wird. Nachhaltig wirtschaften bedeutet aber auch, die uns bereits zur Verfügung stehenden Infrastrukturen möglichst lange zu nutzen und weiter zu erhalten. Dafür werden wir auch weiterhin auf bewährte langlebige Baustoffe wie Beton setzen. Und wir arbeiten täglich daran, diese so klimafreundlich wie möglich einzusetzen und die CO2-Bilanz kontinuierlich zu reduzieren.“

Welchen Beitrag die Industrie bereits leistet, erklärte Berthold Kren, CEO Holcim Central Europe und Präsident der VÖZ: „Österreich ist das Land, in dem die Klinkerherstellung beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen am weitesten fortgeschritten ist. Wir treiben den Fortschritt mit neuen Baustoffen, Bauteilaktivierung und reduziertem Einsatz von Beton in neuen Bauweisen. Wir meinen es ernst mit dem Wandel unserer Industrie in eine klimafitte Zukunft.“ Optimistisch blickte auch Helmut Leibinger, Geschäftsführer von Net Zero Emission Labs, in die Zukunft: „Null CO2 – das geht! Dieses Ziel erreichen wir nur gemeinsam. Wir sind mit unserer Forschungsarbeit schon sehr weit – erste Pilotprojekte zeigen das Erfolgspotential auf. Ich bin davon überzeugt, dass der Baustoff Beton das Fundament für eine grüne Zukunft ist“, so Leibinger. Net Zero Emission Labs GmbH agiert innerhalb der Rohrdorfer Unternehmensgruppe wie ein Start-up und hat mehr als 30 Mitarbeitende.

 

Carbonatisierung von Holzbeton-Lärmschutzwänden

Für die Zement- bzw. Betonindustrie stellt die Dekarbonisierung die größte Herausforderung in den letzten Jahrzehnten dar. Dieses Ziel soll in unterschiedlichen Schritten bis zum Jahr 2050 erreicht werden. Ein wichtiger Meilenstein hierfür ist die Ermittlung des Potentials der Carbonatisierung (Aufnahmepotential von CO2) von aufbereitetem Recyclingmaterial. Aktuelle Forschungsprojekte zeigen realistische Anwendungen. Johannes Dox von der ÖBB Infrastruktur AG und Nicole Rosza von der Smart Minerals GmbH präsentierten anhand der Carbonatisierung von Holzbeton-Lärmschutzwänden, wie Beton als CO2-Senke funktioniert. „Beton kann CO2 aus der Luft wieder aufnehmen bzw. binden und wirkt dadurch als CO2-Senke. Dies stellt eine besonders wichtige Materialeigenschaft in Hinblick auf den Klimawandel dar. Materialien wie beispielsweise Holzbetonlärmschutzwände eignen sich aufgrund ihrer Struktur besonders gut für die Aufnahme von CO2“, so Rosza. In dem Projekt wurde der Carbonatisierungs-Fortschritt der Holzbeton-Lärmschutzwände untersucht und das CO2-Aufnahmepotential eruiert. Johannes Dox: „Es gibt bei der ÖBB Infrastruktur AG 960 Kilometer Lärmschutzwände, davon 920.000 Quadratmeter aus Beton. Der Vorgang findet vorwiegend in den Holzbetonabsorbern statt.“ Fazit: Mehr als 50 Prozent des bei der Zementherstellung verursachten CO2 wurden aus der Atmosphäre wieder aufgenommen.

 

Forschungsprojekte treiben Dekarbonisierung von Zement an

Die Dekarbonisierung von Zement ist ein Thema, das in Zukunft immer relevanter wird. Die VÖZ sowie Smart Minerals GmbH setzen mit ihrer Forschung daher auf ein Konzept mit Perspektive. Anhand von drei Forschungsprojekten, die mit unterschiedlichen Ansätzen die Dekarbonisierung von Zement vorantreiben, zeigte Cornelia Bauer von der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie gemeinsam mit Tanja Manninger von der Smart Minerals GmbH am Kolloquium beispielhaft, was bereits für eine nachhaltige Zukunft geleistet wird. „Im Projekt ,CarboRate´ wird das CO2-Aufnahmepotential von Beton auf verschiedene Arten ermittelt. Eine davon ist die natürliche Lagerung des aufbereiteten Betonbruchs in unterschiedlichen Fraktionen über die vier Jahre Projektlaufzeit. Weiters wird die forcierte Carbonatisierung von Betonbruch durch CO2-Begasung direkt im Abgasstrom eines Zementwerkes, am Ort der Entstehung, durchgeführt. Die zur Gänze carbonatisierten Brechsandfraktionen werden anschließend als Recyclingmaterial in Bauprodukten eingesetzt und die Auswirkungen auf die Produkteigenschaften untersucht.“, so Cornelia Bauer.

Um die CO2-Bilanz von Zementen zu verbessern, werden Materialien untersucht, die den Portlandzementklinkergehalt senken. „Eine aussichtsreiche Option stellen getemperte Tone dar. Sie sind nicht nur weltweit in ausreichenden Mengen verfügbar, sondern können unter geeigneten Bedingungen einen großen Anteil des Klinkers ersetzen.“, erläuterte Tanja Manninger. Das Tempern erfolgt bei – im Vergleich zur Klinkerproduktion niedrigeren – Brenntemperaturen zwischen 550 und 950 °C. Mit diesem Projekt wird der Grundstein für die Verwendung von Zementen mit getemperten Tonen, auch als Ersatz herkömmlicher Zumahlstoffe (z.B. Flugasche), in Österreich gelegt.

Die Abfallrahmenrichtlinie der EU fordert, bis 2020 Recyclingquoten von 70 Prozent für Bau- und Abbruchabfälle zu erreichen. Das Projekt LeptoCalc trägt dazu bei. Bei der Zerkleinerung von Beton zur Wiederverwertung der groben Betonzuschläge fallen etwa 50 Prozent Feinanteile an, die derzeit nicht verwertet werden können. Ziel war daher, die Entwicklung eines Zementersatzstoffs, der aus Feinanteilen aus dem Betonrecycling besteht. Da Klinkerminerale in der Feinfraktion angereichert sind, wurde auch eine mögliche Festigkeitszunahme durch nicht-reagierte Klinkeranteile in der Recyclingfraktion untersucht.

 

CO2-Minderungspotenziale bei der Nutzung von Beton

Um das Thema Energiespeicherung ging es am späteren Nachmittag. Michael Steineder von Smart Minerals GmbH sprach über den Einsatz von Beton für Großwasserwärmespeicher. „Die Integration von Großwasserwärmespeichern ist für eine moderne und effiziente Energieinfrastruktur unerlässlich, da sie die Speicherung von überschüssiger (Wärme-)Energie ermöglicht und bei Bedarf wieder zur Verfügung stellen kann.“, so Michael steineder. In der Aufladephase wird Wärmeenergie in den Speicher übertragen. Das kann durch direktes Erwärmen des Wassers im Tank oder über Wärmetauscher geschehen. Das erwärmte Wasser wird im Tank gespeichert. Je nach Größe des Systems und der Isolierung kann die Wärme über Stunden bis zu mehreren Tagen gespeichert werden.
Bei Bedarf wird die gespeicherte Wärme genutzt. Das heiße Wasser kann direkt für Heizzwecke verwendet werden, oder die Wärme wird über Wärmetauscher an andere Medien (wie Luft oder Wasser für Heizsysteme) übertragen. „In einem innovativen Ansatz setzen wir nun auf ultrahochfesten Beton als alternative Abdichtungsebene für diese Speicher (statt der bisher verwendeten Stahlauskleidung), um ihre Dauerhaftigkeit signifikant zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren."

Wie gut sich Beton durch die Bauteilaktivierung auch als Langzeit-Speicher für Windstrom eignet, erklärte Joachim Durach von der Concrete Rudolph GmbH. „Ziel des Projekts Windheizung 2.0 ist die Nutzung und Speicherung des Überschussstroms aus Starkwindereignissen im Bereich der Gebäudeheizung. Es wurden ein Deckenaufbau und ein hydraulisches Setup entwickelt, das sowohl die Funktion des Langzeitspeichers als auch die der Flächenheizung übernimmt. Die Programmierung einer vorausschauenden Steuer- und Regel-Software zur effizienten und wirtschaftlichen Ausnutzung der Starkwind-Energie rundet das Projekt für die Verwendbarkeit in der Praxis ab. Das System wurde bereits in einer Simulationssoftware und in einem Kleinversuch in der Praxis positiv getestet. Der nächste Schritt ist die Verwendung und anschließend das Monitoring in einem Neubau-Projekt.“

 

Bewährtes und Neues aus Beton

Beton ist Teil der Lösung auf dem Weg zum Erreichen der Klimaziele: Anlagen für Wasser- und Windkraft, Infrastrukturbauten oder Schutzbauten können ohne Beton nicht errichtet werden. Ein Pionierbau aus Beton, der für Dauerhaftigkeit und Versorgungssicherheit steht, feiert dieses Jahr sein 150-jähriges Jubiläum: Die 1. Wiener Hochquellenleitung nahm 1873 ihren Betrieb auf und transportiert seither Gebirgswasser nach Wien. Gemeinsam mit der 1910 eröffneten 2. Hochquellenleitung repräsentieren sie das Rückgrat für die Wasserversorgung in Wien. „Unser Wiener Wasser fließt seit Eröffnung der 1. Hochquellenleitung vor 150 Jahren nur mithilfe des natürlichen Gefälles aus den Alpen nach Wien. Die ausgezeichnete Qualität ist die Folge einer vorausschauenden politischen Entscheidung, von hoher Ingenieurskunst und dem verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Die veränderten klimatischen Bedingungen sowie das Bevölkerungswachstum der Stadt Wien erfordern eine Anpassung – von der Bewirtschaftung des Schutzwaldes bis zum Ausbau der Infrastruktur. Zusätzlich wird Ökostrom aus Wasserkraft erzeugt und die Freiflächen auf Wasserbehältern werden für Photovoltaikanlagen genutzt“, so Norbert Klicha, Stadt Wien – Wiener Wasser (MA 31).

Aus Beton ist nicht nur die Hochquellenleitung, sondern auch ein künstlerisches Denkmal, das anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der modernen Wiener Wasserversorgung umgesetzt wurde. Den Wettbewerb für das Kunstprojekt gewann die Künstlergruppe Gelatin mit dem Entwurf „WirWasser“. Inmitten des Brunnens ist ein Menschenkreis aus 33 aus Beton geformten Menschen, die das Wasser im Brunnenbecken zusammenhalten. Dazu wurden die Figuren aus Beton gegossen und verschieden geformt beziehungsweise gebaut – unter anderem gespachtelt, modelliert oder auch im 3D-Druck-Verfahren. Die Betonmischungen wurden von der TU Wien eigens für Gelatin entwickelt. In eine der Figuren wurde eine Frischwasser-Trinkstelle integriert. Zu sehen ist das Denkmal aus Beton im 10. Bezirk, am Eingang zum Helmut-Zilk-Park an der Ecke Gudrunstraße/Sonnwendgasse.

Sebastian Spaun freut sich über das rege Interesse des Publikums und das positive Feedback auf die hochkarätigen Vorträge: „Die Inhalte und Diskurse am Kolloquium zeigen einmal mehr, dass Strategien und Lösungen für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Baubranche nur gemeinsam und nicht im Alleingang zu lösen sind. Jedes Unternehmen trägt Verantwortung und muss seinen individuellen Beitrag dazu leisten. Auf dem Weg dorthin sind nicht nur nachhaltige Baustoffe, sondern auch die richtige Planung sowie die Investition in Forschung und Entwicklung maßgeblich. Der Infrastrukturbereich stellt die Weichen für die grüne Transformation – und hier sind wir offensichtlich auf einem zukunftsfitten Weg. Dass Beton dabei eine entscheidende Rolle spielt, ist ein deutliches Zeichen, dass unser Baustoff einen wesentlichen Beitrag zur Klimawende, in den Bereichen Mobilität, Energie und Wärme leisten kann.“

Eine Downloadmöglichkeit der Präsentationen finden Sie auf www.zement.at.
Weiteres Bildmaterial kann bei Zement+Beton angefordert werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.
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Fotos:  Felix Büchele/Felixfoto

 
 
 
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