Nordwestbahnhof: vom Güterterminal zum neuen Stadtviertel

Alle Jahre wieder lädt die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie im Dezember in eine besondere Location zum traditionellen VÖZ-Journalistenevent. Im Fokus stand dieses Mal ein Einblick in Wiens letztes großes innerstädtisches Stadtentwicklungsgebiet am ehemaligen Nordwestbahnhof.

Aktuell ist das 44 Hektar große Areal im 20. Wiener Gemeindebezirk noch ein trennender Faktor, aber das wird sich in den nächsten Jahren ändern: Die rund 1,5 Kilometer lange und 400 Meter breite Barriere zwischen Augarten und Dresdner Straße wird aufgehoben. Bis 2040 planen die Stadt Wien und die ÖBB rund 6.500 Wohnungen für rund 16.000 Menschen. Nachhaltiges Leben, leistbares Wohnen und Kreislaufwirtschaft stehen im Fokus des Stadtentwicklungsprojekts. „Das Prinzip des leistbaren Wohnens wird auch am Nordwestbahnhof umgesetzt: 60 Prozent der Wohnungen sind gefördert, wobei dieser Anteil auch Gemeindewohnungen umfasst. Der Rest wird freifinanziert“, so Andreas Trisko, Leiter Stadtentwicklungsareale für lebenswertes Wohnen in der Baudirektion Wien, zu den ambitionierten Plänen für die nächsten Jahre.

Das neue Viertel soll innerstädtisches Wohnen und Arbeiten mit höchstem Freizeit- und Erholungswert vereinen. Es gibt ein umfassendes Konzept für klimafitte Freiräume vom deutschen Planungsbüro Treibhaus Landschaftsarchitektur, mit einem zehn Hektar umfassenden Grünbereich, der „Grünen Mitte“. Der Masterplan für den neuen Stadtteil stammt vom Schweizer Architekturbüro Ernst Niklaus Fausch Partner. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Wiederverwenden vorhandener Baumaterialien. Beton spielt dabei eine entscheidende Rolle – gleich der erste Wohnbau der Arwag, geplant von querkraft, wird mit Bauteilaktivierung für gleichmäßig temperierte Wohnungen sorgen. Sebastian Spaun, Geschäftsführer der VÖZ, sagt: „Österreich braucht leistbaren Wohnraum. Gleichzeitig verlangt die Klimakrise nach umweltfreundlichen, flächensparenden und energieeffizienten Lösungen im Bauwesen. Hier kann der Baustoff Beton seine Stärken ausspielen, denn er ist langlebig, vielseitig, wiederverwend- und recycelbar. Die Verwendung von CO₂-reduzierten Zementen kann außerdem einen entscheidenden Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Die Stadtentwicklung am Nordwestbahnhof hat das Zeug zu einem weiteren Vorzeigebeispiel.“

Um das Stadtentwicklungsprojekt tatsächlich verwirklichen zu können, muss das gesamte Areal des ehemaligen Nordwestbahnhofs im Vorfeld „frei gemacht“ werden. „Die Freimachung erfolgt in zwei Phasen, beginnend an der östlichen Seite im Bereich der Rebhanngasse. Die erste Phase ist bereits voll im Gange. In Summe werden die Abbrucharbeiten vier Jahre in Anspruch nehmen und planmäßig im August 2028 abgeschlossen sein“, so Martin Scheiflinger, Leiter der ÖBB Liegenschaftsentwicklung. Besonders wichtig ist der Umgang mit den großen Mengen an Abbruchmaterial. Das Projekt setzt auf ein verwertungsorientiertes Rückbaukonzept. Direkt vor Ort wird das Material sortiert, abfallchemisch eingestuft und auf einer Behandlungsinsel zerkleinert. So können Beton, Ziegel oder Metall getrennt erfasst und einer hochwertigen Verwertung zugeführt werden. Nach der Sortierung wird das Material überwiegend per Bahn abtransportiert. Etwa zwei Züge pro Woche fahren über die bestehenden Gleisanlagen zu spezialisierten Aufbereitungsanlagen. Insgesamt können rund 95 Prozent des Materials einer Verwertung zugeführt werden.

Erste Wohnbauprojekte fixiert

Im März 2024 wurde der neue Flächenwidmungs- und Bebauungsplan im Wiener Gemeinderat beschlossen. Dieser Plan beinhaltet die Flächenwidmung für das gesamte Stadtentwicklungsgebiet und Bebauungsbestimmungen für vier Baufelder der 1. Entwicklungsphase im Südosten des Areals. Als eines der ersten Projekte wird das Gebäude „luv + lee“, geplant von querkraft, errichtet. Thomas Drozda, Vorstandsdirektor Arwag, dazu: „Das Projekt luv + lee ist ein Beispiel dafür, wie wir Städte so gestalten können, dass sie den Menschen auch in Zukunft ein gutes Leben ermöglichen. Gemeinsam mit einem engagierten Planungsteam ist ein Konzept entstanden, das natürlichen Windstrukturen folgt und das innovative Lösungen gegen die zunehmende sommerliche Überwärmung bietet. So schaffen wir Räume, die nicht nur gebaut, sondern bewusst für die Bedürfnisse kommender Generationen gedacht sind.“

Im „luv + lee“ kombiniert querkraft die neuesten ökologischen Standards mit innovativen Techniken zur Klimawandelanpassung. Fassadenbegrünung, Gründächer mit Biodiversitätsansatz und ein ausgeklügeltes Regenwassermanagement sorgen für ein umweltfreundliches Quartier. Durch Bauteilaktivierung, Grauwassernutzung und CO₂-reduzierte Baumaterialien wird nicht nur die Umwelt geschont, sondern werden auch die laufenden Kosten gesenkt. Architekt Peter Sapp, Partner querkraft, dazu: „Das Projekt luv + lee will einen aktiven und lebendigen Beitrag zur Stadtentwicklung im Nordwestbahnviertel leisten. Der Holz-Beton-Hybridbau schafft einen abwechslungsreichen Lebensraum für unterschiedlichste Nutzergruppen auf vielen Ebenen. Der Fokus liegt auf flexiblem, qualitativem Wohnen, unter anderem mittels Low-tech-Maßnahmen wie der topografischen Gestaltung des Hofes als Kaltluftsee, welcher durch natürliche Thermik das Gebäudeinnere kühlt.“ Im zweigeschossigen Gewerbesockel werden Begegnungsräume für das Grätzel geschaffen.

 

Projektdaten luv + lee:

Größe: 18.400 m2

Raumprogramm: Mischnutzung, geförderter Wohnbau

Bauherr: Arwag

Architektur: querkraft architekten zt gmbh

Haustechnik und Bauphysik: Larix Engineering

Statik: Dorr – Schober & Partner

Freiraumplanung: green4cities

Brandschutz: Kern+Ingenieure

Kreislaufwirtschaft: Materialnomaden

 

Weitere Informationen:

Projekt luv + lee

ÖBB-Info Seite Wien Nordwestbahnhof

Stadt Wien-Info Stadtentwicklungsgebiet Nordwestbahnhof

RÜCKFRAGEN:
Anja GAUGL, Bakk.phil.
Zement und Beton InformationsGmbH
+43 1 714 66 85-23 | +43 677 61073597
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